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Studium Digitalisierung der Lehre – das Labor im Wohnzimmer

Ferngesteuerte Praktikumsversuche oder ein handliches Labor für zuhause – die THGA geht innovative Wege, um die Lehre auch unabhängig von der Corona-Pandemie weiter zu digitalisieren und ein ortsunabhängiges Lernen zu ermöglichen.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass nichts so sicher ist wie es scheint. Im Frühjahr 2020 mussten Präsenzveranstaltungen quasi über Nacht zu Onlineformaten umgestrickt werden. Ein zentrales Thema in der anwendungsorientierten und praxisnahen Ausbildung der THGA: Wie können Laborversuche und -praktika in den eigenen vier Wänden stattfinden? Dieser Frage sind Lehrende in unterschiedlichen Bereichen nachgegangen. Ihre Lösungen bieten, auch unabhängig von Pandemie und Onlineveranstaltungen, enorme Chancen und ein großes Potenzial für die weitere Digitalisierung der Lehre. Drei Beispiele.

Remote Lab – Fernbedienung eines Praktikumsversuchs

Prof. Dr. Markus Gehnen und Philipp Krienke, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der THGA, haben im Modul "Gebäudeautomation" einen innovativen Weg beschritten. Ihr Ziel: Die Bühnenscheinwerfer im Smart-Building-Lab sollten vom heimischen Rechner aus angesteuert und parametriert, also mit verschiedenen Einstellungen versehen werden. Dazu wurde zunächst ein Remote-Desktop-Zugriff eingerichtet, damit die Studierenden den Laborrechner ortsunabhängig bedienen können. Die Scheinwerfer selbst sind über WLAN an das System angebunden. Nächster Schritt: Der Rechner im Labor muss zum Praktikumsstart automatisch hochfahren, sonst bringt der beste Remote-Zugriff nichts. Die installierte Programmiersoftware können die Studierenden nun so nutzen, als würden sie direkt im Labor sitzen, eine Verzögerung gibt es nicht. Die Kamera des Laborlaptops ist auf die Scheinwerfer und den Versuchsaufbau gerichtet und ermöglicht ihnen, die Ergebnisse ihrer Einstellungen in Echtzeit zu überprüfen und ggf. Parameter anzupassen. "Bei alldem dürfen Sicherheitsaspekte natürlich nicht außer Acht gelassen werden", sagt Philipp Krienke. "Deshalb fährt der Rechner nach zwei Stunden automatisch wieder runter."

"An unserem Aufbau sieht man gut, welche Zutaten es braucht, um einen Versuch aus der Ferne durchführen zu können", ergänzt Prof. Gehnen. Nämlich eine zentrale Steuereinheit (in dem Fall den Laborrechner), eine Software, die den Fernzugriff und die Fernsteuerung des Rechners und der Programmierungssoftware ermöglicht, und eine Webcam, die den Versuchsaufbau zeigt und eine optische Überprüfung zulässt. "Wir haben diesen Lichtversuch exemplarisch onlinefähig gemacht – unsere Ergebnisse sind aber durchaus auch auf andere Bereiche übertragbar", so Prof. Gehnen.

Praktikumsversuche für zuhause

Auch die Rechnerboards und Software, mit denen Prof. Dr. Bernd vom Berg und Frank Schleking, Lehrbeauftragter an der THGA, arbeiten, bieten die Möglichkeit, eine praxisnahe Lehre ortsunabhängig zu gestalten. Den Studierenden wird zu Semesterbeginn ein Praxis-Kit mit dem Versuchsmaterial, inklusive Anleitung und Versuchsaufgaben zur Verfügung gestellt. Damit können sie ihre ersten Schritte in das grüne "Internet of Things" (IoT) gehen und sich mit der Erfassung und weltweiten Darstellung von wesentlichen Umweltparametern beschäftigen. Dazu bauen sie zunächst an ihrem heimischen Studien- und Arbeitsplatz die Hardware für ein kleines Messsystem zusammen. Im nächsten Schritt arbeiten sie sich in eine neue, einfache Programmiersprache ein, damit das System aktuelle lokale Umweltmessdaten erfassen kann, darunter Lufttemperatur, Luftfeuchte und Luftdruck. Die gemessenen Werte werden anschließend nicht nur auf dem lokalen Display dargestellt, sondern über ein WLAN-Modul zusätzlich auf den WLAN-Router oder das Smartphone des Studierenden übertragen. Von dort aus geht es weiter zu einer speziellen Website, einem sogenannten Dashboard. Durch eine entsprechende Konfiguration dieses Dashboards können die Daten schließlich weltweit visualisiert werden.

"Mit unserem Praxis-Kit arbeiten sich die Studierenden selbständig in die Programmierung eines Mikrorechnersystems ein und erstellen eine hochaktuelle Anwendung im Bereich des 'Green IoT'", sagt Prof. vom Berg. "So lernen sie die Grundlagen der Internet-Kommunikation und der Darstellung von Daten auf einem Dashboard kennen." Neben dem Green IoT sind vielfältige weitere Anwendungen dieses Konzepts denkbar. So hat Prof. Dr. Ludger Rattmann etwa das Projekt "Lab in a box" angestoßen. Hier sollen zwölf weitere Labor- und Praktikumsversuche in sechs verschiedenen Studiengängen – insbesondere aus dem Bereich Georessourcen und Verfahrenstechnik, aber auch im Maschinenbau – so aufbereitet werden, dass die Studierenden sie mit nach Hause nehmen, dort bearbeiten und ihre Ergebnisse anschließend mit den Lehrenden besprechen können.

"Mit Remote Labs, ergänzt um Praktikumsversuche für zuhause, können wir Studierende aus einem größeren räumlichen Umfeld für ein Studium an der THGA begeistern", sagt Prof. Dr. Michael Bendrat, Vizepräsident für Studium und Lehre. "Sie haben die Möglichkeit, zu programmieren, an praxisnahen Fragestellungen zu arbeiten und sich auszuprobieren, ohne vor Ort sein zu müssen. Das birgt ein enormes Potenzial." Mittelfristig könnten in den Laboren der Elektro- und Informationstechnik auch stationäre Roboter überall dort unterstützen, wo Studierende eigentlich manuell eingreifen müssten. Dabei werde nicht außer Acht gelassen, dass es für die spätere berufliche Praxis auch wichtig ist, mit der Technik in einem realen Labor zu arbeiten – es gehe darum, langfristig eine gute Mischung aus Präsenz- und Onlineelementen zu schaffen.

Exploring Science Digital

Und wer schon vor dem Studium einen Blick in ein Labor werfen möchte? Der ist bei Daniel Kipp, Lehrkraft für besondere Aufgaben, und den beiden studentischen Hilfskräften Benjamin Melde und Oluwaseyi Omodara genau richtig. Gefördert durch Third-Mission-Gelder der Hochschule haben sie einen 360-Grad-Rundgang erstellt, in dem sie nicht nur verraten, was Studierende auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen lernen, sondern auch das Haus für Material und Analytik des Deutschen Bergbau-Museums Bochum und das Werkstofflabor auf dem Campus der THGA präsentieren. Sie erklären erste Versuche und ermöglichen damit einen niedrigschwelligen Einstieg in ingenieurwissenschaftliche Themen – insbesondere in die Angewandten Materialwissenschaften. Den Rundgang können Interessierte sich hier anschauen: www.thga.de/esd

Redaktion: Svenja Kloos