Lars Thalmann hat eine Mission: Er möchte Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Beeinträchtigung durch funktionale Produkte aus dem 3D-Drucker noch mehr Lebensfreude schenken. Dafür engagiert er sich bei e-Nable, einem in über 120 Ländern tätigen Netzwerk, das mechanische Hände und Arme für diese Menschen druckt. In seiner Masterarbeit an der THGA hat der 39-Jährige sein Herzensprojekt nun konsequent weitergedacht: In Zusammenarbeit mit der kolumbianischen Organisation GiveMe5, einem Partner von e-Nable, entwickelt der Maschinenbaustudent 3D-gedruckte Knieprothesen für Kinder in Kolumbien weiter, die dadurch den Spaß am Spielen und Toben neu entdecken.
Verlängert um einen Unterschenkel funktionieren diese Prothesen rein über die Schwerkraft – wenn der Träger den noch vorhandenen Oberschenkel bewegt, richtet sich die Beinprothese ideal zum Boden aus. "Unsere Produkte können damit auf keinen Fall das leisten, was elektrisch gesteuerte Modelle für mehrere tausend Euro können", betont Thalmann. "Es geht uns einfach darum, dass Eltern sich zum Beispiel keinen Kopf mehr machen müssen, wenn ihre Kinder im Sand spielen wollen – da überlegt man sich ja schon, ob das 7000 Euro teure Hightech-Gerät dafür herhalten soll." Im Falle der Kinder in Kolumbien sei es außerdem wichtig, eine praktikable und gleichzeitig kostengünstige Variante bereitzustellen.
Mit seiner Entwicklung führt Lars Thalmann die Arbeit von Christian Silva, Gründer von GiveMe5, fort. Silva stellte 3D-gedruckte Beinprothesen zusammen und unterzog diese einer Ganganalyse, um zu schauen, ob das Zusammenspiel aus Knie- und Fußgelenk gut funktioniert und Kinder damit laufen können. Thalmann hat das Kniegelenk, das beim Laufen einer großen Belastung ausgesetzt ist, in seiner Masterthesis noch einmal genauer betrachtet: Wo wirken welche Kräfte? Was muss das Gelenk aushalten? Wie dick sollten die einzelnen Kunststoffteile gedruckt werden? Über diese wissenschaftliche Annäherung, verschiedene Druck- und Zugtests optimierte er das künstliche Kniegelenk immer weiter und konzipierte es am Ende so, dass Kinder bis zehn Jahren die Prothese problemlos nutzen können. Für die Fertigung wird biologisch abbaubarer Kunststoff (PLA) verwendet, der nicht nur den Nachhaltigkeitsgedanken fördert, sondern die Belastungstests auch bei über 40 Grad besteht. Betreut wurde Thalmanns Arbeit an der THGA von Dr. Nicole Lefort; zudem wurden Third-Mission-Gelder der Hochschule für das Projekt bewilligt, um weiteres Druckmaterial und -zubehör kaufen zu können.
Seine Ergebnisse stellt der Student nun in Anleitungen zusammen, damit die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von GiveMe5 die Prothesen vor Ort nachdrucken können. "Ich bin der Meinung, dass Maschinen dem Menschen dienen, ihn nach vorne bringen sollen. Und wenn man als Experte in 3D-Druck und Maschinenbau anderen Menschen helfen kann, ist das für mich eine super Sache", so Thalmann.
Hintergrund
Seit Ende 2015 beschäftigt sich Lars Thalmann mit dem 3D-Druck, ist so auf e-Nable aufmerksam geworden. Da es in Deutschland damals noch keine Gruppe gab, baute er hier ein sogenanntes "Chapter" auf, realisiert seitdem eigene Projekte. Die 3D-Drucker stehen bei ihm zuhause, haben schon etliche Hände und Arme für Kinder mit Beeinträchtigung, aber auch Beinprothesen für Vögel – etwa für den Afrikanischen Sekretär Söckchen aus dem Weltvogelpark Walsrode – gedruckt. Materialkosten für eine Kinderhand: 20 Euro, das Drucken dauert 24 Stunden. Anschließend müssen die Teile noch gesäubert und zusammengebaut werden. Die fertigen Modelle zeigen die e-Nable-Mitglieder auf Messen, damit sich interessierte Familien informieren und zu Workshops anmelden können, in denen sie unter Anleitung und auf den Druckern des Teams ihre eigenen Produkte drucken können. Diese dürfen die Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer kostenlos behalten.
Redaktion: Svenja Kloos