Jahresbericht 2022 - Technische Hochschule Georg Agricola

Jahresbericht 2022 THGA schafft Wissen! Studieren. Forschen. Verbessern.

Wissen schaffen, kreieren, weitergeben und damit die Zukunft ein Stück besser machen. Das ist das Ziel der Technischen Hochschule Georg Agricola. Diesen vielfältigen Aufgaben widmen sich Tag für Tag Studierende, Forschende und Mitarbeitende der ältesten Hochschule Bochums. Die THGA schafft Wissen – was simpel klingt, bedeutet viel Engagement, Herzblut und eine hohe Bereitschaft, sich komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Gleichzeitig sorgt dieses Wissen für neue Erkenntnisse und wichtige Impulse für die Gesellschaft. Dabei haben unsere drei Wissenschaftsbereiche und das Forschungszentrum Nachbergbau stets das Große und Ganze im Blick: Lösungen sollen smart sein und möglichst alle Facetten umfassen. Darum spielt die Nachhaltigkeit an der THGA eine große Rolle – in der Lehre wie in der Forschung. Denn wir wollen das Klima schützen, Ressourcen schonen und nachhaltiges Wissen schaffen. EDITORIAL 02 Editorial

EDITORIAL Wir schaffen Lösungen für die dringendsten Fragen der Gegenwart und Zukunft. Dafür setzen unsere Mitarbeitenden, Forschenden und Studierenden jeden Tag ihr Know-how ein und arbeiten eng mit Industrie und Wissenschaft zusammen. Als technische Hochschule wollen wir die Erkenntnisse, die wir in unseren Laboren gewinnen, an Mensch und Umwelt weitergeben. Denn wir haben die wichtige Aufgabe, Ingenieurinnen und Ingenieure so auszubilden, dass sie mit ihrem Wissen und ihrem Können für ein besseres Morgen und Übermorgen sorgen. Ob in der Geologie, der Verfahrenstechnik, der Elektrotechnik oder dem Nachbergbau, in diesen und den weiteren vielfältigen Disziplinen unserer Hochschule schaffen unsere Forschenden und Lehrenden Wissen, das schon heute Wirtschaft und Politik zugutekommt. Lehre und Forschung auf höchstem Niveau – dies zeichnet die Technische Hochschule Georg Agricola und das Forschungszentrum Nachbergbau aus. Viele junge Talente begeistern sich für die angebotenen Studieninhalte und Forschungsschwerpunkte. Diese drehen sich keineswegs nur um die Steinkohle, sondern adressieren jede Art der Rohstoffgewinnung. Die Studierenden erwerben somit Wissen, das sie nutzen können, um zentrale Themen unserer Zeit zu bearbeiten, sei es zur nachhaltigen Nutzung von Georessourcen, die auch für die Elektromobilität von hoher Bedeutung sind, oder zur Frage, wie Grün- und Wasserflächen an ehemaligen Bergwerksanlagen zum Klimaschutz beitragen können. Damit entwickeln sie sich zu gesuchten Fachkräften in Wirtschaft und Wissenschaft. Ihre Expertise ist essenziell, um das Ruhrgebiet, aber auch andere Bergbaugebiete weltweit als lebenswerte Regionen zu erhalten. Als verlässlicher Partner fördert die RAG-Stiftung die Technische Hochschule Georg Agricola und das Forschungszentrum Nachbergbau bereits seit vielen Jahren und wird sich auch künftig engagieren. Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Vorsitzende des Hochschulrats der Technischen Hochschule Georg Agricola und Mitglied des Vorstands der RAG-Stiftung Prof. Susanne Lengyel, Präsidentin der Technischen Hochschule Georg Agricola 03 Editorial

EDITORIAL Hochschulen für angewandte Wissenschaften, wie die THGA, sind Schatzkammern des Wissens, in denen die Brücke zwischen Theorie und Praxis geschlagen wird. Studierende erhalten eine akademische Ausbildung, die mit praktischem Know-how angereichert ist. Durch Partnerschaften und Kooperationen haben sie die Möglichkeit, Einblicke in die Arbeitswelt zu gewinnen, Praktika zu absolvieren und ihre Abschlussarbeiten in echten Projekten anzufertigen. Diese Erfahrungen bereiten sie optimal auf den Arbeitsmarkt vor und eröffnen ihnen ein Netzwerk, das weit über ihre Studienzeit hinausreicht. HAWs sind eine unverzichtbare Säule im Bildungssystem. Sie fungieren als Zentrum von Wissen, Kreativität und Innovation, das junge Talente hervorbringt und die Zukunft unserer Gesellschaft mitgestaltet. Beatrix Proyer-Popella, Vizepräsidentin für Haushalt und Verwaltung Der Wissenschaftsbereich I (WB I) erfüllt – wie auch die übrigen Wissenschaftsbereiche – die Kernaufgaben einer Hochschule in Lehre, Forschung und Wissenstransfer. Die Fachgebiete und Studiengänge des WB I sind auf besondere Weise mit den historischen Wurzeln der Hochschule verbunden und belegen die Transformation in Bezug auf einen verantwortungsvollen, an Nachhaltigkeitszielen orientierten Umgang mit Primär- und Sekundärrohstoffen sowie begrenzten Georessourcen in besonderem Maße. Nachsorge und ressourcenschonende Verwertung spielen daher in den sechs Studiengängen des WB I eine große Rolle. Digitale Verfahren und Instrumente, moderne Labore und spannende Exkursionen sowie Praktika im Feld oder Labor werden eingesetzt, um mit ingenieurwissenschaftlichem Knowhow praxisrelevante Probleme zu lösen. Um die Hochschule auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu halten, wurde der Hochschulentwicklungsplan (HEP 2028) in einem partizipativen Prozess mit allen Statusgruppen entwickelt. Das Ziel ist die Transformation der Hochschule durch Projekte, Prozesse sowie Organisations- und Personalentwicklung und deren Positionierung als Ingenieurhochschule mit dem Selbstverständnis „Engineering for a better world“. Prof. Dr. rer. pol. Heike Kehlbeck, Vizepräsidentin für Hochschul- entwicklung und Leiterin des Wissenschaftsbereichs I 04 Editorial

EDITORIAL Die Ressourcenknappheit und der Klimawandel sind weltweit drängende Probleme, die unsere Gesellschaft vor Herausforderungen stelwlen. Vor diesem Hintergrund wird es immer wichtiger, Ressourcen effizient und nachhaltig zu nutzen. Insbesondere in der Materialwissenschaft spielen diese Aspekte eine entscheidende Rolle, da hier sowohl die Rohstoffe als auch die Energie zur Produktion von Werkstoffen und Produkten benötigt werden. Die THGA zeigt, dass Nachhaltigkeit und Effizienz in der Materialwissenschaft keine rein theoretischen Konzepte sind, sondern praktisch umgesetzt werden können. Die interdisziplinäre Forschung und Lehre an der THGA, wie im Projekt Autowerkstatt 4.0 oder im Studiengang MEIHC, trägt dazu bei, dass zukünftige Generationen von Studierenden in der Lage sein werden, nachhaltige und effiziente Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu finden. Die THGA bietet im Bereich Elektro- und Informationstechnik ein attraktives Studienangebot an. Moderne Laboratorien und Forschungseinrichtungen ermöglichen Praktika und Forschungsarbeiten auf höchstem Niveau. So werden zum Beispiel in einem WB-übergreifenden Projekt mit den Materialwissenschaften mittels der optischen Kohärenztomografie (OCT) Schäden an Kulturgütern untersucht. Im Wirtschaftsingenieurwesen wurden erste Gerätschaften für die Marktforschung angeschafft, die das Thema „Eye-Tracking“ behandeln. Diese und andere Projekte in der Elektro- und Informationstechnik entwickeln neue Konzepte und Technologien für die Industrie 4.0. Die THGA bildet ihre Studierenden somit zu Expert:innen aus, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Die THGA schafft Wissen – und Wissen schafft Zukunft. Dies gilt auch und insbesondere für das Forschungszentrum Nachbergbau. Wir widmen uns den Fragen nach einer sicheren und gerechten Rohstoffversorgung – ein wichtiges Thema, das durch die geopolitische Gesamtsituation eine neue und zentrale Bedeutung bekommt. Schließlich bleiben Georessourcen für unser alltägliches Leben unverzichtbar. Das Wissen aus dem Nachbergbau liefert Erkenntnisse, um sie künftig nachhaltiger zu gewinnen und damit zum Gelingen der Energiewende und zum Klimaschutz beizutragen. Das Forschungszentrum Nachbergbau analysiert und begleitet diesen nötigen Transformationsprozess zum verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen – interdisziplinär wie international. Dies ist gelebter Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung für Mensch, Natur und Umwelt in der Region und darüber hinaus. Prof. Dr. rer. nat. Michael Prange, Vizepräsident für Forschung, Entwicklung und Transfer und Leiter des Wissenschaftsbereichs II Prof. Dr. rer. nat.Christian Melchers, Vizepräsident für das Forschungszentrum Nachbergbau Prof. Dr.-Ing. Michael Bendrat, Vizepräsident für Studium und Lehre nd Leiter des Wissenschaftsbereichs III 05 Editorial

Herzlich willkommen! Wir nehmen Sie mit auf eine Reise durch die THGA: Video starten 06

Editorial 02 Wissenschaftsbereich I 08 Georessourcen und Verfahrenstechnik Wissenschaftsbereich II 24 Maschinenbau und Materialwissenschaften Zahlen und Fakten 34 zur THGA Nachhaltigkeit 37 Wissenschaftsbereich III 38 Elektro-/Informationstechnik und Wirtschaftsingenieurwesen Forschungszentrum 54 Nachbergbau Highlights 66 Preise und Auszeichnungen 70 Schlusswort 74 Impressum 75 07 Inhaltsverzeichnis

Studierende Studiengänge 772 722 Studierende sind auf die unterschiedlichen Studiengänge im Bachelor und Master verteilt. Hiervon sind 182 Frauen. Der Anteil ausländischer Studierender im WB I liegt bei 20 Prozent. Insgesamt 285 Personen studieren in Vollzeit und 437 in Teilzeit im WB I. Leiterin des WB I ist Prof. Dr. rer. pol. Heike Kehlbeck (Vizepräsidentin Hochschulentwicklung). Bachelor: - Geotechnik und Angewandte Geologie, Bau- und Umweltgeotechnik - Rohstoffingenieurwesen und nachhaltiges Ressourcenmanagement - Verfahrenstechnik - Vermessungswesen Master: - Geoingenieurwesen und Nachbergbau - Mineral Resource and Process Engineering Forscher:innen der THGA beschäftigen sich mit der nachhaltigen Gewinnung und Weiterverarbeitung von Rohstoffen. Der Leitgedanke der Zukunftsfähigkeit schließt den gesamten Wertschöpfungsprozess von der Erkundung der Lagerstätten über umweltschonende Abbauverfahren bis hin zur Beherrschung von Bergbaufolgen ein. In den vielfältigen Studiengängen beschäftigen sich unsere Studierenden mit ebendiesen Fragestellungen und entwickeln teilweise in Kooperation mit Partner:innen aus der Industrie innovative Lösungen. 6 Georessourcen und Verfahrenstechnik WB I 08 Georessourcen und Verfahrenstechnik

09 Georessourcen und Verfahrenstechnik

Mit LENZ Technology hat THGA-Student Denis Drosdzol ein Unternehmen ins Leben gerufen, das sich der Lösung von Problemen im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz widmet. Die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 geht Denis Drosdzol nicht aus dem Kopf: Als ehrenamtliches Einsatzmitglied bei der Feuerwehr Gelsenkirchen war er selbst vor Ort, hat mit 14 Kameradinnen und Kameraden in Eschweiler bei Aachen mit angepackt. Und sich auch danach weiter mit der Thematik beschäftigt. „Viele Menschen haben in der Katastrophe ihr Leben gelassen“, sagt der 20-Jährige. „Deshalb wollte ich Produkte entwickeln, die in einer Ausnahmesituation schnelle Abhilfe schaffen und Menschenleben schützen.“ Die Idee für seine Unternehmensgründung war geboren. Entwicklung eines Umkippschutzes für Tauchpumpen Seitdem sind einige Monate vergangen – und aus einer Vision wurde Wirklichkeit. Mit dem Wissen aus seinem Bachelorstudium der Verfahrenstechnik an der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) und dank der Unterstützung durch die Gründungsinitiative StartING@- THGA ist Drosdzol nun erfolgreicher Jungunternehmer. Seine Firma LENZ Technology bietet Lösungen für den internationalen Bevölkerungs- und Katastrophenschutz. Das erste Produkt ist der LENZ Umkippschutz für Tauchpumpen. Tauchpumpen kommen zum Einsatz, wenn zum Beispiel Häuser, Dörfer oder Städte vor eindringendem Hochwasser geschützt werden sollen. Das Problem: Wenn Vom Erfinder zum Unternehmer Weitere Informationen zum Unternehmen: zur Website 10 Georessourcen und Verfahrenstechnik

sie umkippen, fällt der Druck im Inneren und sie müssen wieder aufgestellt werden, um weiterhin funktionsfähig zu sein. Die Person, die diese Aufgabe übernimmt, könnte dadurch nicht nur mit kontaminiertem Wasser in Berührung kommen – auch Verletzungen sind, gerade in unübersichtlichen (Stress-)Situationen, wahrscheinlich. Handelsübliche Pumpen können zudem nicht ohne Hilfsmittel auf geneigten Oberflächen (z. B. am Eingang von Tiefgaragen) eingesetzt werden. In allen Punkten schafft Drosdzols Entwicklung Abhilfe. Und stößt auf Resonanz: Auf der Messe INTERSCHUTZ für die Bereiche Rettungsdienst, Brand- bzw. Katastrophenschutz und Sicherheit in Hannover konnte der Gründer bereits Kontakte zu internationalen Anwenderinnen und Anwendern knüpfen. Weitere innovative Lösungen sind geplant oder befinden sich in der Umsetzung. Bürokratische Fragen gemeinsam klären „Eine Unternehmensgründung ist ein Abenteuer, keineswegs statisch, sondern sehr dynamisch“, sagt Denis Drosdzol. StartING@THGA habe ihn in der gesamten Zeit unterstützt, ihn mit einem breiten Netzwerk von Expertinnen und Experten zusammengebracht oder bei der Klärung von bürokratischen Fragen geholfen. „Auch jetzt, wo mein Unternehmen an den Start gegangen ist, werde ich weiterhin gefördert – etwa wenn es darum geht, die Geschäftsführung oder die Unternehmensstrategie anzupassen.“ Eine besondere Rolle habe zudem sein Mentor, THGA-Prof. Dr. Jochen Arthkamp, gespielt. Seine langjährige Erfahrung und fachliche Meinung zu Produktentwicklung und Auslegung hätten Drosdzol enorm vorangebracht. „Die Gründung zeigt eindrücklich, was entstehen kann, wenn die fachliche, gesellschaftliche und unternehmerische Kompetenz der THGA und ein großes studentisches Potenzial zusammenkommen“, sagt Prof. Dr. Heike Kehlbeck, Vizepräsidentin für Hochschulentwicklung an der THGA. „LENZ Technology und vor allem Denis Drosdzol zeichnet ein ganz besonderes Engagement aus und es macht mich stolz, dass wir ihn auf seinem Weg begleiten können.“ So wurde sein Vorhaben bereits 2021 beim Ideenwettbewerb „Leitidee Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet, im Frühjahr 2022 erhielt der Student außerdem einen extra ausgerufenen Preis der RWTÜV e.V. Der LENZ Umkippschutz wurde im Mai 2022 zusätzlich mit dem Excellence Award in der Kategorie besondere Leistung in Forschung und Entwicklung von der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes ausgezeichnet. Das erste Produkt ist der LENZ Umkippschutz für Tauchpumpen. Weitere innovative Lösungen für den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz sind geplant und befinden sich in der Umsetzung. Erfolgreicher Gründer: Mit Unterstützung der Initiative StartING@- THGA hat Denis Drosdzol seine Firma LENZ Technology ins Leben gerufen. Weitere Informationen über StartING@THGA finden Sie hier: zur Website 11 Georessourcen und Verfahrenstechnik

StartING@THGA – Gründungsideen voranbringen Vom Labor in die Praxis: Damit das gut gelingt, unterstützt die Gründungsinitiative StartING@THGA StartUps. 12 Georessourcen und Verfahrenstechnik

2022 war für die Gründungsinitiative StartING@THGA ein voller Erfolg. Erstmals konnten Veranstaltungen in Präsenz stattfinden und so der direkte Kontakt zu den Kundinnen und Kunden aufgebaut werden. Gleichzeitig gelang mit Denis Drosdzols Unternehmen LENZ Technology die erste durch EXIST geförderte Ausgründung. „Die Förderung von StartING durch das EXIST-Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) “, so Marie Dowling, Leiterin des GründungsServiceCenters, „hat es der THGA ermöglicht, Gründungen aus der Hochschule durch gezielte Qualifizierungsveranstaltungen und individuelles Gründungscoaching zu realisieren.“ „Die Förderung einer Gründerkultur, die den Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft ermöglicht, ist in Deutschland, dank des EXIST-Programms des BMWK, zu einer Kernaufgabe von Hochschulen geworden. Mit der Verankerung des neuen Unternehmertums im Hochschulentwicklungsplan, zeigt die THGA ein hohes Committment zur StartING Initiative, die durch den Wissenstransfer in die Wirtschaft, einen wichtigen Beitrag zu der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen in der Region leistet.“, stellt Prof. Dr. Heike Kehlbeck, Vizepräsidentin für Hochschulentwicklung, fest. Vielfältige Themenschwerpunkte Die richtige Finanzierung, das Gründen in Teilzeit oder Prototyping, diese und noch viele weitere Bereiche standen vergangenes Jahr im Fokus. „Die Gründerkultur an der Hochschule wächst auch dank StartING stetig. Wir wollen den zukünftigen Gründer:innen und Gründern das nötige Handwerkszeug vermitteln, damit die vielen tollen Ideen auch tatsächlich zur Umsetzung kommen“, sagt Christian Röckmann Gründungsexperte bei StartING. Gemeinsam mit seiner Kollegin Melanie Seel sorgen sie für breitgefächerte Themenfelder, mit denen sie möglichst viele Entrepreneur:innen erreichen wollen. Universell, divers, nachhaltig Aber nicht nur aktuelle Studierende will man unterstützen. Mit der Plattform für Gründungserfolge „Georgs Gründer:innen“ möchte StartING all jene wieder mit der Hochschule und ihren Studierenden vernetzen, die bereits vor Entstehung des GründungsServiceCenters unternehmerisch tätig waren. „Netzwerken ist ein unerlässlicher Baustein, denn so können Erfahrungen geteilt und Zukunftsthemen bewegt werden.“ erklärt Prof. Susanne „Die Gründerkultur an der Hochschule wächst auch dank StartING stetig. Wir wollen den zukünftigen Gründerinnen und Gründern das nötige Handwerkszeug vermitteln, damit die vielen tollen Ideen auch tatsächlich zur Umsetzung kommen“ Lengyel, Präsidentin der Hochschule, nach der ersten Kaminrunde mit Investoren und Forschenden. Netzwerkveranstaltungen wie auch der Winterstammtisch sind wichtig, um die Gründungskultur an der THGA weiter voranzutreiben. Es werden auch in 2023 vermehrt Beratungen und Coaching angeboten, beispielsweise im Bereich Social-Media. Zudem sollen insbesondere Frauen mit Veranstaltungen wie dem „Female Founders Frühstück“ unterstützt werden. „Wir wollen Diversität in den technischen Berufen erreichen und Frauen dabei unterstützen ihre Ideen unternehmerisch umzusetzen, denn bisher sind es vor allem Männer, die gründen“, erklärt Melanie Seel. Der Mentor:innenrat des GründungsServiceCenters StartING@THGA traf sich im vergangenen Sommer zur Besprechung auf dem Fördergerüst des Deutschen Berg- bau-Museums Bochum. Weitere Informationen über StartING@THGA finden Sie hier: zur Website 13 Georessourcen und Verfahrenstechnik

THGA neu gedacht Wir erfinden uns als THGA gerade neu. Es reicht nicht, nur Anbieter von Studiengängen und Vermittler von Forschung zu sein. Die Welt ist komplexer geworden und wir wollen agil und zusammen mit unseren Stakeholdern und Partnern die Herausforderungen verstehen und bearbeiten“, erklärt Prof. Dr. Heike Kehlbeck, Vizepräsidentin für Hochschulentwicklung und Leiterin des Wissenschaftsbereiches I. Gemeinsam mit Dr. Christian Warnecke, dem Koordinator für Hochschulentwicklung, und zahlreichen Mitarbeitenden der THGA wurde in den vergangenen Monaten der neue HEP erarbeitet. Dabei verfolgt die THGA den Ansatz, dass die fachlichen Aufgaben und die gesellschaftliche Verantwortung sich gegenseitig stärken und nicht getrennt voneinander gesehen werden. Handlungsfelder der Hochschule Grundlage der strategischen Überlegungen zum HEP waren Themen, die einen erheblichen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Hochschule haben, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit, Diversität, Digitalisierung, der Wettbewerb mit anderen Hochschulen oder disruptive Ereignisse wie die Corona-Pandemie. Berücksichtigt wurden außerdem das Leitbild, die Planungsgrundsätze sowie die strategischen Planungen des Präsidiums und der Wissenschaftsbereiche. In die Überlegungen einbezogen wurden zudem wichtige Trends, die im Rahmen des Thinktanks THGA2030 und des Junior Thinktanks, einer studentischen Initiative, identifiziert wurden. Mithilfe des innovativen Ansatzes des „Business Model Canvas“ wurden diese strategischen Überlegungen in einen übergeordneten Zusammenhang gebracht. „Es ist etwas sehr Neues, eine Hochschule in diesem Businessmodell darzustellen. Es dient der Visualisierung unseres Geschäftsmodells und ermöglicht ein Gesamtbild, wo wir im Jahr 2028 stehen wollen“, erklärt Warnecke. 2023 soll zunächst ein Kennzahlensystem für die einzelnen Bereiche, basierend auf dem HEP, erstellt werden. Im Herbst 2022 hat die Technische Hochschule Georg Agricola ihren neuen Hochschulentwicklungsplan (HEP) vorgelegt. Er beschreibt die Strategie der THGA bis zum Jahr 2028. zum Download Den Hochschulentwicklungsplan für den Zeitraum 2022–2028 können Sie hier herunterladen und einsehen: Schlüsselpartnerinnen und -partner Schlüsselaktivitäten Stakeholderbeziehung Kanäle Schlüsselressourcen Kostenstruktur Einnahmequellen Stakeholder Wertangebote Einnahmequellen Schlüsselpartnerinnen und -partner Schlüsselaktivitäten Stakeholderbeziehung Kanäle Schlüsselressourcen Kostenstruktur Einnahmequellen Stakeholder Wertangebote Schlüsselpartnerinnen und -partner Schlüsselaktivitäten Stakeholderbeziehung Kanäle Schlüsselressourcen Kostenstruktur Einnahmequellen User Wertangebote Schlüsselpartnerinnen und -partner Schlüsselaktivitäten Stakeholderbeziehung Kanäle Schlüsselressourcen Kostenstruktur Einnahmequellen Stakeholder Wertangebote 14 Georessourcen und Verfahrenstechnik

Nachhaltigkeit durch Innovation stärken – HEI4S3RM Gemeinsam mit vielen Partner:innen im europäischen Ausland möchte die THGA die Innovationskapazitäten in Europa stärken. „Wir streben eine langfristige nachhaltige Entwicklung an, indem wir die Idee der Kreislaufwirtschaft nutzen, um den Rohstoff- und Bergbausektor zu modernisieren“, erklärt Diana Elizabeth Lezcano, Managerin des Projekts an der THGA. Smarte Lösungen müssen her, um Produkte, Materialien und Ressourcen so lange wie möglich zu nutzen. „Die Abfallerzeugung soll durch die Idee der Kreislaufwirtschaft auf ein Minimum reduziert werden“, so Lezcano. Damit soll das Projekt einen wichtigen Beitrag zu den Bemühungen der EU leisten, eine nachhaltige, kohlenstoffarme, ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft zu entwickeln. Gefördert wird das Projekt aus Mitteln der „EIT HEI Initative: Innovation Capacity Building for Higher Education“. Diese Initiative des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT) zielt darauf ab, die unternehmerische und innovative Kapazität von Hochschuleinrichtungen in ganz Europa zu stärken. Ziele des Projekts Nach seinem Start 2021 ist das Projekt im Juli 2022 in die zweite Phase übergegangen, die bis Juni 2024 laufen wird. In diesem Zeitraum sollen die Kooperationen und Partnerschaften zwischen den unterschiedlichen Hochschulen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen verfestigt werden. Um das zu ermöglichen, wurden im vergangenen Jahr mehrere Events abgehalten und mehrere Start-ups mit dem Know-how der Projektbeteiligten unterstützt. „Mit dem Übergang in die zweite Phase bieten wir Interessierten kostenlose Kurse und Fortbildungen an, um sich den Themen des Projekts zu nähern“, erklärt Lezcano. Was ist das EIT? Das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EU-Institut) unterstützt dynamische paneuropäische Partnerschaften, Wissens- und Innovationsgemeinschaften zwischen führenden Unternehmen, Forschungslabors und Universitäten. Die THGA ist Teil des Projekts „Building Ecosystem Integration Labs at HEI“. Damit sollen die SmartSpecialization und Innovation im Bereich der nachhaltigen Rohstoffe gefördert werden. Gefördert wird HEI4S3RM mit 1,2 Millionen Euro. zur Website

Geologische Schichtmodelle im 3D-Drucker herstellen, komplexe Berechnungen darstellen oder im Simulator mit dem Bagger fahren – das Digital-Geo-Lab der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) macht das seit dem vergangenen Jahr möglich. Wir wollten für Studierende und Forschende des Wissenschaftsbereichs Erleichte- rungen schaffen und bei der Digitalisierung Fortschritte machen“, erklärt Laborleiter Prof. Dr. Ludger Rattmann. Gemeinsam mit seinem Stellvertreter Prof. Dr. Frank Otto und den wissenschaftlichen Mitarbeitenden Roland Joosten, Fabian Schemmer und Manuel Schleich wurde aus der Idee nun ein nutzbarer Lehrraum. Von der Idee zur Umsetzung Das Digital-Geo-Lab verfügt über 15 Arbeitsplätze, sodass kleine Kurse direkt im Labor arbeiten können. Zudem können Studierende remote auf die Rechnerinfrastruktur zugreifen. „Wir wollten es den Studierenden ermöglichen, den LABOR Digital-Geo-Lab – smartes Studieren 16 Georessourcen und Verfahrenstechnik

Raum auch außerhalb der Vorlesungszeiten zu nutzen“, erklärt Schleich. Nach Abschluss der Einrichtungsphase befindet sich das GeoLab seit Mitte 2022 in einer ersten Erprobungsphase. „Regelmäßig finden hier Vorlesungen statt, Studierende nutzen vor Ort und von zu Hause die Infrastruktur und bisher haben wir ausschließlich sehr positive Erfahrungen gemacht“, freut sich der Laborleiter. Dennoch seien weitere Entwicklungen geplant, insbesondere bei der Technik sollen noch Feinheiten durchgeführt und technische Anschaffungen besorgt werden. Erste Ideen für das Geo-Lab stammen aus dem Jahr 2019. „Die Digitalisierung ist ein Schwerpunktthema in Lehre und Forschung an der THGA. Das gilt natürlich auch für den WB I“, sagt Prof. Rattmann. Für die geotechnischen Aufgabenstellungen verfügt die THGA über eine große Anzahl in der industriellen Praxis genutzter Anwendungen. Diese Spezialsoftware konnte jedoch nur über 20 Standard-PCs in zwei Lehrräumen genutzt werden. Außerhalb der Hochschule waren die Möglichkeiten für Projekt- und Abschlussarbeiten sowie das Selbststudium eingeschränkt. Darum entstand der Plan, einen neuen Lehrraum mit entsprechender technischer Ausstattung einzurichten. „Die Anforderungen an die grafische Darstellung und an die Rechenleistung einiger Softwareanwendungen sind gestiegen, entsprechend mussten wir eine Aufrüstung einplanen“, erläutert Rattmann. Der Grundgedanke, den Studierenden und Forschenden einen Ort anzubieten, an dem die Spezialsoftwarepakete des WB I ständig verfügbar sind, war geboren. Vom Mining-Simulator zur Augmented Reality Geschaffen wurde eine Infrastruktur, die es allen Interessierten ermöglichen soll, das Labor zu nutzen. „Neben dem Seminarraum gibt es noch den Besprechungsraum mit digitalem Flipchart, um sich über Projekte auszutauschen oder einen Pitch in professionalem Rahmen zu ermöglichen“, erklärt Schleich. Ebenfalls sind erste Schritte bei der Zusammenstellung eines Mining-Simulators vorangetrieben worden. „Für die Studierenden ist es essenziell, dass sie verstehen, wie Betriebsmittel der Rohstoffindustrie funktionieren. So stellen wir ein Prozessverständnis her“, sagt Rattmann. In Zukunft soll die bisherige Grundausstattung des Geo-Labs weiterentwickelt werden. Neben dem bereits angeschafften 3D-Drucker sollen noch weitere Komponenten wie Virtual Reality, Augmented Reality und weitere Simulatoren hinzukommen. „Damit bleiben wir nicht nur up to date, sondern können Studierenden und Forschenden an der THGA einen Mehrwert anbieten“, schaut Rattmann in die Zukunft. An 15 Arbeitsplätzen können die Studierenden vor Ort arbeiten oder remote von zu Hause aus. Prof. Ludger Rattmann, Prof. Frank Otto, Manuel Schleich und Roland Joosten betreuen das Digital-Geo-Lab. „ Die Digitalisierung ist ein Schwerpunktthema in Lehre und Forschung an der THGA. Das gilt natürlich auch für den WB I“ 17 Georessourcen und Verfahrenstechnik

Daniel Heckhoff, Absolvent der Technischen Hochschule Georg Agricola, trägt mit den Erkenntnissen seiner Masterarbeit dazu bei, dass die Stahlproduktion über die Hochofenroute in Zukunft umweltfreundlicher wird. Es ist heiß hier drin, sehr heiß, man könnte sogar von „Höllenfeuer“ sprechen: Hier in der Schmelz- und Verbrennungszone im Inneren eines Hochofens herrschen Temperaturen von bis zu 2.200 °C. Genau diese Temperaturen und die Reaktionen, die in diesem Bereich stattfinden, interessierten Daniel Heckhoff besonders. Der 33-Jährige ist Masterabsolvent der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) und gehört einer Projektgruppe von thyssenkrupp an, die sich dem weltweit völlig neuartigen Projekt „Wasserstoff statt Kohle“ (H2BF) widmet. Ihr Ziel ist es, die CO2-Emissionen zu senken und den Technologiewandel in der Stahlproduktion voranzutreiben. „Es ist kein Geheimnis, dass der Hochofenprozess CO2-Emissionen ausstößt. Das liegt daran, dass kohlenstoffbasierte ReduktiFORSCHUNGSPROJEKTE Wasserstoff statt Kohle – die Transformation der Stahlindustrie Ziel des Projekts ist es, die CO2 - Emissionen zu senken und den Technologiewandel in der Stahlproduktion voranzutreiben. 18 Georessourcen und Verfahrenstechnik

onsmittel verwendet werden. Wir tauschen diese gegen Wasserstoff aus, sodass statt CO2 lediglich Wasserdampf entsteht“, erklärt Heckhoff. Die Funktion eines Hochofens Um Stahl herzustellen, muss einem Eisenerz im ersten Schritt Sauerstoff entzogen werden. Dieser Prozess findet im Hochofen bei gewaltiger Hitze und unter Zugabe von Kohlenstaub und Koks statt. Durch den eingeblasenen Kohlenstoff entsteht CO2, das in die Umwelt gelangt. Damit das in Zukunft nicht mehr passiert, forscht ein Team von thyssenkrupp, dem auch Daniel Heckhoff angehört, an einer Methode, um den bisher genutzten Kohlenstoff durch Wasserstoff zu ersetzen. Doch so einfach ist es nicht; es schließen sich zahlreiche Fragen an: Wie sicher ist die Verwendung von Wasserstoff? Wie verändert sich die Temperatur im Hochofen? Wie sieht die Gaszusammensetzung aus? „Wir haben in der ersten Projektphase bereits einige Erkenntnisse zum Einsatz von Wasserstoff gewonnen: Die Zusammensetzung des Hochofengases ändert sich, und auch die Temperatur. Das kann Umbaumaßnahmen am Ofen zur Folge haben“, so der 33-Jährige, der auch erklärt, dass bislang nur über eine der 28 Blasformen des Hochofens Wasserstoff eingeblasen wurde. In der bald folgenden zweiten Projektphase soll der Wasserstoff über alle Blasformen in entsprechenden Versuchskampagnen injiziert werden. Arbeit am Projekt Die Grundlage für diese zweite Phase legte das Projektteam in den vergangenen Jahren. Im November 2019 hat thyssenkrupp in Duisburg weltweit erstmals reinen Wasserstoff in einen im Betrieb laufenden Hochofen geblasen. Kurz danach stieß der Verfahrenstechnik-Student zum Projekt hinzu. „In meiner Masterarbeit habe ich die Vorgänge innerhalb des Hochofens bei Einsatz von Wasserstoff als Reduktionsmittel untersucht. Da spielte vor allem der Sicherheitsaspekt eine große Rolle. Die Frage war: Wie passen Wasserstoff und Hochöfen zusammen?“, erinnert er sich. Heckhoff entwickelte Thesen, welche Prozessparameter optimal sind und ab wann eine Verbrennung nur unvollständig abläuft. Praxisnahe Forschung Forschung direkt anzuwenden, das gefällt Heckhoff. „Ich konnte meine Masterarbeit berufsbegleitend schreiben und an einem Thema arbeiten, bei dem ich das Gefühl habe, etwas zu bewegen“, sagt er. Wie aufwendig seine Arbeit war, lässt sich allein an der Zahl der auszuwertenden Messelemente ablesen, denn davon gibt es im Hochofen zwischen 1.000 und 1.500. Mit seiner Untersuchung möchte er einen Beitrag leisten, um neue Wege für die Stahlproduktion zu finden, abseits von fossilen Kohlenstoffen. „Natürlich ist eine solche Transformation nicht günstig. Aber es wird sich ab einem gewissen Zeitpunkt definitiv rechnen und hilft bei der Dekarbonisierung der Industrie“, zeigt er sich optimistisch. Auch THGA-Professor Dr. Jochen Arthkamp und Frederik Hippe, Heckhoffs Betreuer bei thyssenkrupp, sind von seinem Ansatz überzeugt: „Die Arbeit zeigt, wie anwendungsnah wir an der THGA ausbilden und dass wir einen Mehrwert für die Praxis schaffen“, so Prof. Arthkamp. „Dadurch ist eine Win-win-Situation für beide Seiten entstanden“, ergänzt Frederik Hippe. Wie passen Wasserstoff und Hochöfen zusammen? Dieser Frage ist THGA-Absolvent Daniel Heckhoff in seiner Masterarbeit nachgegangen. Der 33-Jährige gehört einer Projektgruppe von thyssenkrupp an, die sich dem weltweiten Projekt „Wasserstoff statt Kohle“ (H2BF) widmet. 19 Georessourcen und Verfahrenstechnik

FORSCHUNGSPROJEKTE Es ist längst unrentabel, deutsche Eisenerzvorkommen abzubauen. Sie sind zu klein und ihre Erze liegen zu tief. Dass sich ein Blick in die Tiefen der aufgelassenen deutschen Bergwerke dennoch lohnt, zeigt Leanne Schmitt, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der THGA. Ihre Doktorarbeit könnte helfen, neue Erzlagerstätten zu entdecken. Die Spur der Blutsteine Im Vergleich zu den großen Eisenerzlagerstätten in Australien, Brasilien oder Südafrika sind die Vorkommen Deutschlands winzig. Während Australien im Jahr 2021 gut 900 Millionen Tonnen des Rohstoffs im Tagebau abbaute und Brasilien 400 Millionen Tonnen, wurden im letzten aktiven deutschen Eisenerzbergwerk, der Grube Fortuna im hessischen Solms, in insgesamt 137 Betriebsjahren knapp 5 Millionen Tonnen Eisenerz des sogenannten Lahn-Dill-Typs gefördert. Unter Tage, in großen Tiefen und in einer tektonisch gestörten, stark verfalteten Zone. Als die Grube 1983 schloss, bedeutete dies nicht nur das Ende des Eisenerzabbaus zu Verhüttungszwecken in Deutschland. 20 Georessourcen und Verfahrenstechnik

Damit starb auch das Interesse an der weiteren Erforschung dieses besonderen Erztyps, obwohl längst noch nicht klar war, wie die mit 380 Millionen Jahren im Vergleich zu den Erzen in Australien und Brasilien noch recht jungen Erze eigentlich entstanden sind. Knapp vier Jahrzehnte und zahllose technische Neuerungen in der Analytik von Gesteinen und Mineralen später hat sich die wissenschaftliche THGA-Mitarbeiterin im Bereich Georessourcen und Verfahrenstechnik, Leanne Schmitt, der Eisenerze des Lahn-Dill-Typs erneut angenommen. „Ich wollte grundsätzlich untersuchen, wie sie entstanden sind, um die Prozesse ihrer Entstehung vielleicht doch noch zu entschlüsseln und sie anschließend global einzuordnen“, sagt die Doktorandin. Und ihr Doktorvater an der THGA, Prof. Dr. Thomas Kirnbauer, fügt hinzu: „Frau Schmitt ist diesem Vorhaben ein gutes Stück nähergekommen.“ Submariner Vulkanismus und seine Folgen Im Devon, also vor rund 418 bis 361 Millionen Jahren, erstreckte sich ein Meeresbecken dort, wo heute das Rheinische Schiefergebirge und der Harz liegen. Auf dessen Grund befanden sich aktive basaltische Vulkane, aus denen Laven, Aschen und anderes Gesteinsmaterial eruptierten. Dieses Material lagerte sich an den Hängen der Vulkane und am Meeresboden ab, wurde von neuen Aschen und Gesteinen bedeckt und rutschte von den Vulkanhängen zum Meeresboden, wobei immer wieder Meerwasser eingeschlossen wurde. Je mehr Material sich auf der Oberfläche ablagerte, desto tiefer wurden die darunterliegenden Schichten gedrückt und verfestigten sich. Das erhöhte den Druck und die Temperatur in den Gesteinen und obwohl der Vulkanismus in dem Meeresbecken zunehmend erlosch, blieb ausreichend Wärme erhalten, um das eingeschlossene Wasser zu erwärmen. Es begann, in den Gesteinen zu zirkulieren und chemisch mit diesen zu reagieren. Dabei wurden verschiedene Elemente – darunter Eisen – aus den Gesteinen gelöst und weil solch ein Gemisch, Fluid genannt, eine geringere Dichte als das Gestein hat, versucht es, nach oben zu steigen. Die Fluide bahnten sich einen Weg durch das grobporige Gestein und blubberten am Meeresgrund aus ihm heraus ins Meerwasser. Die Erze bilden sich Sobald sich die mit Eisen angereicherten Fluide mit dem Meerwasser vermischten, oxidierte das mobile zweiwertige Eisen zu dreiwertigem und bildete letztlich mit Sauerstoff aus dem Meerwasser Eisenoxid. „Alles deutet darauf hin, dass an der Oxidation des zweiwertigen Eisens zu dreiwertigem Bakterien beteiligt waren, die das Eisen für ihren Stoffwechsel nutzten“, erklärt Leanne Schmitt. Sie hat die Spuren dieser Bakterien im Eisenerz in Form fadenartiger Strukturen entdecken können. Das dreiwertige Eisen kommt im Fall der Lahn-Dill-Erze in Form des Minerals Hämatit (Fe2O3), landläufig auch Blutstein genannt, vor. „Gleichzeitig mit dem Hämatit bildete sich Quarz (SiO2). Beides hat sich aber zuvor als gallertartiges Eisen-­ Silicium-Gemisch am Meeresboden Leanne Schmitt beabsichtigt, ihre Forschung im Jahr 2023 abzuschließen. Letzte Schritte ihrer Arbeit sind die Untersuchung der Silicium-Isotope mithilfe eines Massenspektrometers und die Publikation der Ergebnisse in entsprechenden Fachzeitschriften. Nach der Verteidigung ihrer Arbeit wird sie selbst mit der Doktorwürde für ihre Leistung belohnt. Die Doktorandin Leanne Schmitt ist der Entstehungsgeschichte des Hämatits im Lahn-Dill-Gebiet auf der Spur. Beide Namen des Minerals verweisen auf sein Äußeres: Der silbern glänzende reine Hämatit wird auch als Specularit – von lateinisch „speculum“ für Spiegel – bezeichnet. Roter Hämatit dagegen leitet sich von dem altgriechischen Wort „haima“ für Blut ab. 21 Georessourcen und Verfahrenstechnik

abgelagert. Das Gel verfestigte sich schließlich zu einem Erz, in dem Hämatit heute als Nanokristalle (< 200 nm) vorliegt. Während der Verfestigung kam es gleichzeitig zum Teil zu einer Entmischung von Hämatit und Quarz“, führt Leanne Schmitt weiter aus. Dies kann selbst der Laie mit bloßem Auge erkennen: Bereiche aus reinem Quarz sind weiß, reiner Hämatit glänzend und silbern und die Gemische aus Hämatit und Quarz blutrot. Von der Erdgeschichte in die Neuzeit Doch die Arbeit von Leanne Schmitt ist mehr als ein Blick in die Vergangenheit, mehr als eine Rekonstruktion der Erdgeschichte. Sie soll ebenfalls eine Möglichkeit für Gegenwart und Zukunft eröffnen. Die Entstehungsgeschichte und die mit ihr verbundenen Prozesse machen es möglich, die Lahn-Dill-Erze in den globalen Kontext einzuordnen, sie mit anderen Lagerstätten zu vergleichen. „Unsere Erze sind jünger als beispielsweise die australischen, die über eine Milliarde Jahre alt sind. Das hat den Vorteil, dass sie weniger stark verändert sind“, meint Prof. Kirnbauer. Die Aufgabe seiner Doktorandin sei deshalb, sich die jüngeren Erze anzuschauen, um gegebenenfalls Rückschlüsse auf die Entstehungsprozesse der älteren ziehen zu können. Indem die Entstehungsgeschichte der Eisenerze des Lahn-Dill-Typs bekannt ist – deren Vorkommen nicht auf das relativ kleine Gebiet westlich von Marburg beschränkt sind, sondern die auch im Sauerland, im Harz und anderen zentraleuropäischen Regionen zu finden sind –, lässt sich prüfen, wo im Verlauf der Erdgeschichte gleiche oder ähnliche Bedingungen herrschten und damit eventuell gleiche Erze entstanden sind. In welchem Meeresbecken gab es Vulkanismus? Wo im submarinen Raum lagerten sich solch mächtige Ascheschichten ab? „Wenn ich all diese Fakten zusammentrage und miteinander vergleiche, kann ich andere Stellen global lokalisieren, an denen es Erze gleichen oder ähnlichen Typs geben und die näher zu untersuchen sich lohnen könnte“, erläutert Leanne Schmitt. Für die Zukunft hieße das, eventuell neue Lagerstätten erschließen zu können. Eine wichtige Forschung, denn noch immer ist Eisen- erz – einst zusammen mit der Steinkohle Motor der Industrialisierung – einer der wichtigsten Rohstoffe der Erde. „ Unsere Erze sind jünger als beispielsweise die australischen, die über eine Milliarde Jahre alt sind. Das hat den Vorteil, dass sie weniger stark verändert sind.“ Die Promovendin Leanne Schmitt im Gespräch mit ihrem Betreuer an der THGA, Prof. Dr. Thomas Kirnbauer. 22 Georessourcen und Verfahrenstechnik

Prof. Dr. Ing. Stephan Pilz richtet den Lehrstuhl für mechanische Verfahrenstechnik in den Lehr- und Arbeitsgebieten neu aus. Wir möchten uns für die zukünftigen Anforderungen aufstellen, das gilt natürlich auch alles im Hinblick auf das gemeinsame Ziel der Nachhaltigkeit“, erklärt Prof. Pilz. Neben den Anwendungen in der klassischen Prozessindustrie – wie der Chemie, den Kunststoffen, Stahl und Eisen sowie der Aufbereitung von Rohstoffen und Erden – sollen auch neue Themenfelder erschlossen werden. Das beinhaltet insbesondere die Umwelttechnik, Recycling und Life Science. Dabei umfasst Recycling ein großes Spektrum von Produktionsabfällen oder Produkten am Ende ihrer Verwendung, während Life Science vor allem Kosmetika, Pharmaprodukte und Ergänzungsprodukte zum Thema hat. Im Rahmen der Umwelttechnik stehen die Reinigung von Luftverschmutzung und die Behandlung von Abwässern im Fokus. Neben der Partikelanalytik stehen hierfür eine ganze Reihe von Labor- und Versuchsständen zur Verfügung. Neue Ausrichtung Neben der Erneuerung der Vorlesungsinhalte wurden entsprechend auch die Versuchsstände und die Labore der mechanischen Verfahrenstechnik auf den neuesten Stand gebracht. „Wir geben hier Gas, um den Studierenden und uns ein möglichst hochwertiges Arbeitsumfeld zu schaffen.“ So befinden sich die Halle des Labors sowie einzelne Räume in einer Grundrenovierung, die zum Teil bereits abgeschlossen ist. Mit dieser Neuaufstellung der experimentellen Einrichtungen sollen zukünftig auch wieder verstärkt Kooperationen mit wissenschaftlichen und industriellen Partner eingegangen werden. „Die ersten Projekte sind bereits am Start“, freut sich der Verfahrenstechniker. Das Labor für mechanische Verfahrenstechnik verfügt in der Analytik über eine Vielzahl von Instrumenten. • Mechanische Siebanalysen • Luftstrahlsiebung • Laserbeugung (Partikelgröße und -form) • Röntgensedigraph • Mikroskop • Viskosimeter Seit September 2021 ist Prof. Pilz an der THGA. 2022 wurde er mit dem Preis für die beste Lehre ausgezeichnet. Modernisierung des Labors für mechanische Verfahrenstechnik Die angebotenen Grundoperationen umfassen u. a.: • Fest-Flüssig-Trennungen (Hydrozyklone, Filtrationen, Zentrifugation, Filterpresse, Flotationen, Setzherd etc.) • Gas-Fest-Trennung (diverse Sichter) • Zerkleinerungen (von Labormühlen bis zum halbindustriellen Backenbrecher) • Agglomeration • Scherversuche, Böschungswinkelmessung sowie Siloversuchsstand • Versprühen und Zerstäuben • Mischen und Rühren/Kneten 23 Georessourcen und Verfahrenstechnik

Maschinenbau und Materialwissenschaften sind auf die unterschiedlichen Studiengänge im Bachelor und Master verteilt. Hiervon sind 72 Frauen. Der Anteil ausländischer Studierender im WB II liegt bei 28 Prozent. Insgesamt 371 Personen studieren in Vollzeit und 299 in Teilzeit im WB II. Leiter des WB II ist Prof. Dr. rer. nat. Michael Prange (Vizepräsident für Forschung, Entwicklung und Transfer) Bachelor: - Angewandte Materialwissenschaften - Maschinenbau Master: - Maschinenbau - Material Engineering and Industrial Heritage Conservation (MEIHC) Mit Ressourcen möglichst schonend umzugehen, ist sowohl unter ökonomischen als auch unter ökologischen Gesichtspunkten entscheidend: Heutige Standards lassen sich vor dem Hintergrund der Energiewende, aber auch bei ständig steigenden Rohstoffkosten nur aufrechterhalten, wenn sowohl Materialien als auch Energie möglichst effizient eingesetzt werden. Deshalb werden an der THGA neben der Entwicklung von Werkstoffen und deren effizienter Verwendung in der Produktion auch Recyclingverfahren erforscht. Studierende Studiengänge 670 4 WB II 24 Maschinenbau und Materialwissenschaften

25 Maschinenbau und Materialwissenschaften

FORSCHUNGSPROJEKTE KFZ-Werkstätten sehen sich heute mit neuen Anforderungen konfrontiert. Sie müssen nicht nur mit verschiedenen Verbrennertechnologien umgehen, sondern auch gleichzeitig Elektrofahrzeuge reparieren können. Die Autowerkstatt 4.0 will helfen, sich an die Anforderungen des digitalen Zeitalters anzupassen, und nachhaltige Lösungen präsentieren. Autowerkstatt 4.0 – Problemlösung der Gegenwart und Zukunft 26 Maschinenbau und Materialwissenschaften

Der Startschuss für das Förderprojekt Autowerkstatt 4.0 (AW 4.0) fiel zu Beginn des letzten Jahres. Die Technische Hochschule Georg Agricola (THGA) entwickelt, gemeinsam mit Kooperationspartnern aus Wissenschaft und Wirtschaft, eine deutschlandweite Plattform für den vertrauenswürdigen Austausch von Fahrzeugdaten. Die neu geschaffene Plattform soll dazu beitragen, die Fehlersuche in Autowerkstätten zu vereinfachen. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des europäischen Datenökosystems Gaia-X und wird von der Bundesnetzagentur betreut. Die Laufzeit liegt bei drei Jahren. Digitalisierung mit Erfahrung voranbringen „Wir möchten die Digitalisierung in kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Automobilbranche voranbringen“, sagt Lukas Jakubczyk, operativer Projektleiter an der THGA, über die Idee hinter der Autowerkstatt 4.0. Werkstätten, Messsystemanbieter und KI-Start-ups werden zu einem Innovations- und Wertschöpfungsnetzwerk verknüpft, wodurch neue Potenziale und Geschäftsmodelle entstehen sollen. Vorerfahrung hat die THGA bereits in einem früheren Projekt gesammelt. Unter der Leitung von Prof. Dr. Gereon Kortenbruck hat das PROLAB Produkt+Produktion auf dem Gebiet der computergestützten und oszilloskopgeführten KFZ-Diagnose gearbeitet. „Wir wollen diese wertvollen Erkenntnisse in unsere gemeinsame Arbeit mit den Kooperationspartnern einfließen lassen, um das Projekt zum Erfolg zu führen“, erklärt Kortenbruck. Großes Interesse bei den Werkstätten Mehr als 5.000 freie Werkstätten in Deutschland wollen sich am Projekt beteiligen und Fahrzeugdaten bereitstellen. „Damit hat das Projekt das Potenzial, die Diagnose in Autowerkstätten zu revolutionieren“, sagt Jakubczyk. „Werkstattmitarbeitende können schnell und zuverlässig die Ursache herausfinden, die einem Fehler zugrunde liegt, und das Fahrzeug ressourcenschonend reparieren. Und auch eine vorausschauende Diagnose ist möglich. Hier wird die Wahrscheinlichkeit für den künftigen Ausfall eines Bauteils angegeben, sodass es rechtzeitig nachbestellt werden kann.“ Schwierige Anfänge durch die Corona-Pandemie Auch das Projekt AW 4.0 hatte mit Einschränkungen durch die Corona-Pandemie zu kämpfen. „Wir haben vornehmlich online diskutiert. Einige wichtige Aspekte konnten wir jedoch bei zwei Konsortialtreffen vor Ort an der THGA diskutieren“, sagt Jakubczyk. Rund 30 Teilnehmende konnte die Hochschule beim ersten Präsenztreffen im April 2022 begrüßen. Erstmals kamen die Projektbeteiligten außerhalb von Videokonferenzen zusammen und konnten genauere Projektvorstellungen ausloten. Neben mehreren Workshops wurde auch die PraxisMöchte die Digitalisierung der Automobilbranche voranbringen: Lukas Jakubczyk, Projektleiter von Autowerkstatt 4.0 an der THGA. Bei den Messungen werden dazugehörige Metadaten (z. B. Fahrzeug-ID, Kilometerstand, Fehlercodes) erhoben. Mittels eines THGAHUB werden diese Daten jedoch anonymisiert, sodass lediglich innerhalb des Konsortiums Messungen eindeutig identifizierbar sind. 27 Maschinenbau und Materialwissenschaften

tauglichkeit des Diagnosesystems getestet. In einem zweiten Treffen im September konnte sich das Projekt bereits über Zuwachs freuen. „Das zeigt uns, dass wir mit AW 4.0 auf dem richtigen Weg sind. Dennoch müssen wir unser Profil in Zukunft noch schärfen“, macht Kortenbruck deutlich. Forschung und Entwicklung vor Ort Neben mehreren Messeauftritten waren wissenschaftliche Mitarbeitende auch zur Gewinnung weiterer Daten und Erkenntnisse unterwegs. So etwa im Handwerksbildungszentrum Minden. Dort wurden Untersuchungen durchgeführt, die helfen sollen, die künstliche Intelligenz zu verbessern. Eingesetzt wurde eine sogenannte Break-out-Box, mit der sich Fehler in Sensorsignalen identifizieren lassen. So wird eine zielgerichtete Diagnose möglich, Unstimmigkeiten und Abweichungen können passgenau diagnostiziert und defekte Kfz-Teile ausgetauscht werden, wo es notwendig ist – eine wichtige Neuerung. Die zukünftige Reparatur von Fahrzeugen wird dadurch smart und der Austausch fehlerfreier Teile minimiert. Aktuell werden die meisten Reparaturen über On-Board-DiagnosesysMitarbeitende der Hochschule entwickeln zusammen mit der AutoIntern GmbH (AI) die Messhardware weiter, sammeln in Kooperation mit den Pilotwerkstattpartnern erste Daten und arbeiten gemeinsam mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI) anhand dieser Daten die Algorithmen der KI aus. teme durchgeführt, die häufig nicht auf die genaue Ursache des Fehlers verweisen, sondern nur die Symptome lokalisieren. Die vom System empfohlenen, aber vielleicht noch intakten Teile werden so trotzdem ausgetauscht – ein Problem mit Blick auf die Nachhaltigkeit. Um in Zukunft der steigenden Komplexität der verbauten Elektronik und Fahrassistenzsysteme Herr zu werden, kann künstliche Intelligenz in Werkstätten dabei helfen, Ressourcen zu sparen, und die Mitarbeitenden bei ihrer Arbeit unterstützen. Ausblick auf AW 4.0 in 2023 Für die unmittelbare Zukunft ist ein weiterer Meilenstein des Projekts geplant, der Roll-out der Diagnosesysteme an die Partnerwerkstätten. Dabei kommt ein von der THGA entwickeltes Schulungsprogramm zum Einsatz, um das Projekt in die Breite zu tragen. „Wir haben uns in Zusammenarbeit mit der Zielgruppe auf das Medium Film geeinigt. Die Lernvideos stellen zum Beispiel die Messung der Batteriespannung vor und erklären den Ablauf“, so Jakubczyk. Abrufbar sind die Videos über eine Lernplattform. Alle Erkenntnisse aus diesem Schritt fließen langfristig in das Onboarding-Konzept des Ökosystems AW 4.0. Mithilfe künstlicher Intelligenz sollen Fahrzeugprobleme in Zukunft schneller und nachhaltiger gelöst werden. zur Website 28 Maschinenbau und Materialwissenschaften

STUDIUM Aus unterschiedlichen Perspektiven Seit einem guten Jahr trägt die THGA dem Umstand, dass die Probleme der Zeit nur durch inter- und transdisziplinäres Forschen und Handeln gelöst werden können, mit dem Studiengang MEIHC Rechnung. Wir blicken zurück. Wenn die Studierenden des Masterstudiengangs Material Engineering (ME) and Industrial Heritage Conservation (IHC) nach vier Semestern in Vollzeit oder sechs Semestern berufsbegleitend die THGA verlassen, sind sie Ingenieure der Fachrichtung Materialwissenschaften. Aber sie verfügen über ein zusätzliches Wissen, das Ingenieure gewöhnlich nicht im Studium erhalten: Sie sind in der Lage, sich in die Aspekte der historischen Materialien und Denkmäler der Industriekultur und in ihren historischen Wert einzudenken. Die künftigen Materialwissenschaftler:innen werden nicht nur für einen ökonomischen und ökologischen Umgang mit Ressourcen sensibilisiert, sondern auch für die geisteswissenDie Kooperation zwischen der THGA, der Stiftung Zollverein und dem Deutschen Bergbau-­ Museum ermöglicht es den Studierenden, praxisnah direkt am historischen Objekt zu lernen. Die direkte Arbeit am historischen Objekt sorgt für ein besseres Verständnis. 29 Maschinenbau und Materialwissenschaften

schaftlichen Aspekte bei der Konservierung historischer Materialien und Industriedenkmäler. So können sie später in ihrer Arbeit auch mit Denkmalpfleger:innen auf Augenhöhe agieren. Zwei Schwerpunkte Material Engineering legt den Schwerpunkt auf die verantwortungsvolle Fertigung und Performance von Materialien und beleuchtet die Kulturwissenschaften am Rande; Industrial Heritage Conservation fokussiert eher auf historische Materialien und deren Konservierung und berücksichtigt in Bezug darauf mehr geisteswissenschaftliche Kontexte. Und bei vielen Themen wie Korrosion und Degradation kommen die beiden Schwerpunkte wieder zusammen. „Die Mechanismen, wie und warum ein Material etwa korrodiert, sind in weiten Teilen gleich, unabhängig davon, ob es sich um historische oder aktuelle Materialien handelt. Und die Untersuchungsmethoden, die wir bei unserem Praxiskurs auf der Zeche Zollverein und in den Laboren der THGA und des Bergbau-Museums einsetzen, sind ohnehin identisch“, bemerkt Prof. Dr.-Ing. Nicole Lefort, Studiengangsleiterin und Professorin für Material Engineering. In der Praxis Einer der zentralen Punkte des Studiengangs sind die praktischen Übungen. Durch die Kooperationen mit der Stiftung Zollverein und dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum erhalten die Studierenden die Möglichkeit, ihr Wissen am Objekt anzuwenden. Sie sind wichtiger Bestandteil vor allem für das Verständnis der Industriekultur, denn auf Zollverein wird nicht nur die Frage beantwortet „Wie erhalten wir ein Objekt?“, sondern auch „Warum erhalten wir es?“ Um dieses inter- wie transdisziplinäre Denken und Arbeiten zu komplettieren, beleuchtet der Studiengang einen weiteren Aspekt: Über die Wahlpflichtmodule können sich die Studierenden mit wirtschaftswissenschaftlichen Themen wie Controlling und Unternehmensführung auseinandersetzen. Den Zweck dieser Module erklärt Prof. PD Dr. phil. Roman Hillmann, Professor des Schwerpunkts „Industrial Heritage Conservation“, so: „Die Studierenden sollen eine Vorstellung davon bekommen, dass sie für Nachhaltigkeit und Erhaltungsethik eintreten müssen. Die Geschichte von Unternehmen und die Technikgeschichte helfen ihnen, im Beruf als gestaltende ‚Manager‘ von Prozessen auch für Geschichtsbewusstsein und Ethik einzutreten.“ Hier finden Sie eine Übersicht unserer Kooperationspartner: Prof. Nicole Lefort (links) leitet den Studiengang MEIHC. Ihr Fokus liegt auf dem Bereich Material Engineering. zur Stiftung Zollverein zum Deutschen Bergbau-Museum Bochum 30 Maschinenbau und Materialwissenschaften

RkJQdWJsaXNoZXIy MjM3MjE=